Anlässlich meines Geburtstages gibt es in diesem Beitrag 24 Lektionen in 24 Jahren.
Ich bin vor ein Wochen 24 geworden. Das ist kein besonderes Alter, falls es überhaupt ein Alter gibt, dass man als „besonders“ bezeichnen kann. Ich lese gerne Beiträge, in denen Leute Lektionen reflektieren, die sie im Alter gelernt haben. Zum Glück kann man diese Beiträge auch an nicht runden Geburtstagen verfassen.
Das hat mich dazu inspiriert, selbst darüber nachzudenken, welche 24 Lektionen in 24 Jahren auf mich zukamen.
Für mich ist das Wichtigste im Leben zu schreiben und Zeit mit den Menschen zu verbringen, die ich liebe. Daran muss ich mich erinnern, wenn ich mal wieder dringendere E-Mails und Projekte habe. Aufgaben und Arbeit gehen nicht weg, geliebte Menschen schon.
Ich habe mein ganzes Leben lang Ratschläge gelesen, die sich gegenseitig widersprechen. Arbeite hart und viel – die Arbeit kann warten, lebe im Moment. Spare Geld – gönn dir schöne Kleidung. Ich glaube fest daran, dass es im Leben um die Balance geht: Arbeit – Freizeit, Produktivität – Erholung, Sitzen – Bewegung. Es gibt Tage, an denen ich mit Freude rund um die Uhr arbeite und dann wiederum habe ich Phasen, in denen ich mit einem guten Buch auf der Couch sitzen möchte. Ich brauche die Balance zwischen beiden Phasen.
Ich glaube, wir haben alle eine natürliche Tendenz zu einem Verhalten.
Manche kämpfen chronisch mit ihrer Produktivität und Arbeit. Sie brauchen Tipps, um mehr zu schaffen, früher aufzustehen und Projekte abzuschließen. Am Ende des Jahres waren sie auf allen möglichen Festivals und Grillpartys, aber fühlen sich leer, weil sie ihre Ziele nicht erreicht haben.
Andere Menschen neigen dazu, chronisch zu viel zu arbeiten. Sie kriegen ihre Projekte fertig, aber dafür leiden ihre Beziehungen, ihre Gesundheit und ihr Glück darunter, weil sie den ganzen Tag in ihrer Werkstatt / hinter einem Schreibtisch verbringen und andere Lebensbereiche vernachlässigen.
Ich hatte immer Angst zu faul zu sein und nicht genug zu schaffen. Während meines Studiums las ich alles Mögliche über Produktivität und Zeitmanagement. Da es meine Tendenz ist zu viel zu arbeiten, muss ich die anderen Bereiche meines Lebens beschützen. Jemand, der sich zu viel entspannt, muss wahrscheinlich aufpassen, dass er nicht vergisst, an seinen Zielen zu arbeiten.
Vor zwei Jahren habe ich mir einen Lebenstraum erfüllt. Zusammen mit einer Gruppe Stipendiaten war ich zwei Wochen lang in Israel und konnte den Wurzeln meines Volkes folgen. Es war eine unglaubliche, lebensverändernde Reise, an die ich noch heute denke.
Mein ganzes Leben lang träumte ich davon, nach Israel zu reisen. Ich beneidete Menschen, die dort waren. Selbst, wenn sie unglücklich in ihren Beziehungen, arbeitslos oder krank waren, dachte ich „dafür waren sie in Israel“.
Nun war ich in Israel und stelle fest, ich bin dieselbe Sascha mit denselben Bedürfnissen und Sorgen wie davor. Dieses Ziel zu erreichen, hat mich nicht glücklich gemacht. Darum bin ich inzwischen nicht mehr so besessen davon, meine Bücher zu veröffentlichen. Ich glaube daran, dass es richtig und wichtig ist, sich Ziele zu setzen, aber Ziele führen nicht zu Glück. Glück ist das, was wir auf dem Weg zu unserem Ziel finden.
Wenn du meine Website länger kennst, hast du vermutlich mal folgenden Punkt in meiner Bio gelesen: „Ich hasse Smalltalk und liebe tiefgründige Gespräche“.
Ich habe meine Meinung geändert. Ganz ehrlich, willst du wirklich mit jedem Menschen, dem du begegnest, über Gott und die Welt reden? Manchmal ist es ganz nett, einfach zu hören, was jemand am Wochenende gemacht hat und über das zu heiße, zu kalte, zu okaye Wetter zu klagen.
Smalltalk und spaßige, gute Gespräche schließen sich nicht aus. Ich redete mir jahrelang ein, dass ich Smalltalk hasse. Das gab mir eine Entschuldigung, wenn es mir schwerfiel, mit unbekannten Leuten ins Gespräch zu kommen. Drei Ratschläge haben meine Einstellung geändert und meine Fähigkeiten massiv verbessert:
Während meines Auszeit Jahres zwischen Bachelor und Master habe ich sechs Monate im Praktikum bei TRUMPF verbracht. Es hat drei Monate gedauert, bis ich mich wie ein Teil des Teams fühlte. Nach sechs Monaten war mein Praktikum zu Ende und ich fühlte mich, als hätte ich mich gerade erst richtig eingearbeitet und Freundschaften geknüpft. Erst da fiel mir auf, wie viele Stationen meines Lebens weniger als sechs Monate gedauert haben. Mein Auslandssemester in Lissabon, mein Praktikum bei Studyflix – kaum war ich drinnen, ging es auch schon wieder weg.
Es gibt Menschen, die ohne Vorbereitung oder Notizen eine Präsentation aus dem Stegreif halten können. Diese Fähigkeit habe ich nicht. Ob Pitches, Bewerbungsgespräche oder einfache Moderationen. Wenn ich gut präsentieren möchte, muss ich gut vorbereitet sein.
In seiner Biografie „On Writing“ schreibt Stephen King, dass es für einen Schriftsteller essenziell ist, viel zu lesen. Es ist aber auch wichtig, viel Gutes zu lesen.
Der Verstand lernt genauso von schlechten Büchern wie von Guten. Billiges Reality-TV und Social Media Reels speichert der Verstand genauso ab wie Dostojewski.
Jeder Mensch hat eine Schlafmenge, die er braucht, um ein funktionsfähiges Mitglied unserer Gesellschaft zu sein. Sich freiwillig dieser Schlafmenge zu berauben ist uns allen gegenüber unfair.
Früher sagte ich gern Sätze wie: „Wir sollten uns mal wieder treffen“. Ich gewöhnte es mir ab. Solche Sätze sind leere Behauptungen, die zu nichts führen.
Aus keinem dieser „wir sollten mal“ ist in meinem Leben je etwas entstanden. Dasselbe gilt für Hobbys („ich würde gern mal Gitarre lernen“) oder gute Vorsätze („ich sollte mehr Sport treiben“). Wenn ich wirklich möchte, dass etwas passiert, muss ich mir die Zeit im Kalender nehmen. Das gilt für Sport, Reisen, Anrufe mit meiner Oma und meine Ziele.
Ich finde es sehr entspannend un wohltuend, einen leeren Kalender zu haben und zu wissen, dass ich den Tag nach meinem Belieben gestalten kann. Allerdings ist das ein Idealzustand, der meistens nicht möglich ist. Die Arbeit, das Studium, Hobbys und Verabredungen kommen dazwischen.
Solche Verabredungen nicht zu notieren, weil man dem Ideal des leeren Kalenders nachhängt, folgt dazu, dass man Leuten absagen muss, weil man doch verplant ist, Treffen vergisst und letztlich gestresster ist als zuvor. Darum trage ich alle meine Pläne (auch sowas wie Bad putzen) in den Kalender meinen.
Es ist besser anzurufen, als eine Messanger Chat Nachricht zu schreiben. Es ist besser sich persönlich zu treffen, als anzurufen.
Wenn ich ein Buch schreiben möchte, muss ich mir selbst die Zeit dafür geben, es zu tun. Der Haushalt, die Arbeit und das Studium werden immer dazwischenfunken. Es gibt immer eine weitere Verpflichtung. Darum muss Schreiben noch vor allen anderen Verpflichtungen kommen.
Wenn ich Geld sparen möchte, muss ich das am Anfang des Monats tun, nicht nachdem alle Ausgaben getilgt sind. Es gibt immer weitere Ausgabe.
Du musst dich selbst und deine Ziele an erste Stelle setzen.
Um Spaß beim Sport zu haben, muss man begreifen, dass Sport anstrengend ist und anstrengend sein soll. Das bedeutet, dass dein Körper arbeitet.
Wir alle sind in unserem tiefsten Inneren faule Wesen. Wir müssen uns beibringen, anstrengende Sachen gerne zu tun.
Was gehört zu einem glücklichen Leben dazu?
Überlässt man die Spezies Mensch sich selbst, greift sie in ihrer Freizeit zum Smartphone oder schaltet Netflix an, weil es einfacher ist. Man muss sich dazu zwingen, die Dinge zu tun, die einen wirklich glücklich machne.
Eine lange Reise bewältigt man einen Schritt nach dem anderen. Aufgaben, die groß und überwältigend sind, erledigt man, indem man eine Mini-Aufgabe nach der anderen angeht.
Du hast die Wahl zwischen zwei Arbeitgebern für den Berufseinstieg. Beide Stellenangebote haben ihre Vor- und Nachteile. Es ist eine wichtige Entscheidung für deinen nächsten Lebensabschnitt. Tagelang haderst du mit der Entscheidung, fragst Freunde um Rat und erstellst Pro- und Kontralisten. Die Entscheidung kommt dir unglaublich hart vor. Irgendwann wirst du dich entscheiden.
Das Interessante ist: Egal, wie du dich entscheidest – Monate später wird dir deine Entscheidung absolut richtig und offensichtlich vorkommen. Als hätte es nie eine vernünftige Alternative gegeben. Harte Entscheidungen sind nur hart, solange du dich noch nicht entschieden hast.
Mein Auslandssemester hat mich gelehrt, langsam zu reisen. Anstatt von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten zu sprinten, hatte ich viel Zeit Lissabon und die Umgebung kennenzulernen. Ich besuchte mehrmals dasselbe Café, bummelte stundenlang auf Märkten und ließ mich ziellos durch die Altstadt treiben.
Anstatt in kürzester Zeit möglichst viele Orte „abzuklappern“, bleibe ich länger an einem Ort und lerne ihn intensiver kennen.
Letztes Jahr waren mein Partner und ich drei Monate lang beruflich in Göteborg, Schweden. Wir brannten darauf, die Stadt und das Land kennenzulernen. Jedes Wochenende waren wir unterwegs, entdeckten Sehenswürdigkeiten, probierten Restaurants aus oder gingen einfach zum Freesbiespielen in den Park. Wir schwärmten davon, wie toll es in Schweden sei und klagten darüber, dass es Zuhause nicht diese Möglichkeit gäbe.
Je mehr wir darüber nachdachten, desto mehr realisierten wir, dass es Zuhause sehr wohl Möglichkeiten gibt. Aber wir müssen sie aktiv suchen. Auch bei uns in der Umgebung gibt es Sehenswürdigkeiten und tolle Restaurants. Warum besuchten wir sie nicht?
Die meisten von uns haben zwei Einstellungen: eine „normale“ Alltagseinstellung und eine viel positivere Abenteuer-Einstellung, wenn wir auf Reisen sind. Das führt dazu, dass wir zu Hause unglücklich sind, aber auf Reisen das Glück finden.
Ich dachte jahrelang, ich bräuchte mehr Reisen in meinem Leben, dabei wollte ich in Wahrheit nur die Gefühl, die ich mit Reisen verbinde: Aufregung, Neugier und Abenteuerlust. Diese Abenteuer kann ich auch zu Hause finden.
Dankbarkeit ist der Schlüssel zu Glück und vertreibt Sorgen. Ich versuche mich täglich daran zu erinnern, wofür ich dankbar bin und welche Geschenke der heutige Tag gebracht hat.
Schreiben gibt uns die Möglichkeit, uns tiefergehend mit einer Idee auseinanderzusetzen. Nur, wenn man etwas wirklich verstanden hat, kann man es zu Papier bringen.
In gewisser Weise ist Schreiben eine tiefere Art des Denkens, weil es eine Idee unter die Lupe nimmt und prüft, ob man wirklich versteht.
Ich habe mich lange Zeit als „Yoga-Girl“ identifiziert und immer geglaubt, ich wäre nicht der Typ für Kraftsport. Trotzdem war ich neugierig, weil ich so viel Gutes über die Effekte von Kraftsport hörte. Vergangenes Jahr las ich einen Artikel, der erklärte, wie man einen Einstieg in diesen Sport findet. Es klang so einfach und verständlich, dass ich beschloss es auszuprobieren. Seitdem mache ich dreimal die Woche Kraftsport.
Ich merke, dass ich die Tendenz habe, mich an eine Identität zu klammern und zu sagen: Das ist es, so bin ich. Dabei kann sich meine Identität mit der Zeit verändern und ich kann mehrere Identitäten auf einmal haben. Ich kann Kraftsport machen und Yoga. Ich kann Fantasy Romane schreiben und Thriller. Ich kann laut und extrovertiert tanzen und trotzdem auf der Couch Romane lesen.
Vom US-amerikanischen Theologen Reinhold Niebuhr stammt das Zitat:
„Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“
Die meisten Dinge, über die wir uns Sorgen machen, liegen außerhalb unserer Kontrolle. Wären sie innerhalb unserer Kontrolle, könnten wir einen Plan schmieden, um sie zu ändern. Stattdessen konzentrieren wir uns auf die Reaktionen anderer und all die Dinge, die außerhalb unseres Einflussbereichs liegen. Ich denke ein Schlüssel zu einem guten Leben liegt darin, immer wieder diese Unterscheidung, von der Niebuhr sprach, treffen zu können.
Diese 24 Lektionen in 24 Jahren sind an einem Tag der Reflexion zustande gekommen. Ich zweifle nicht daran, dass noch mehr Lektionen möglich wären. Vielleicht wären an einem anderen Tag, andere Lektionen an die Oberfläche getreten.
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